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Zwanzig Jahre aus dem Leben des Kulturverein-Wetschesch

(Gespräch mit Michael Frühwirth, dem Vorsitzenden des Vereins)

Was bedeutet 20 Jahre im Leben eines Vereins?

Zwanzig Jahre sind auch im Leben eines Menschen eine lange Zeit. In zwanzig Jahren wachsen die Kinder auf, stehen ihre Jugend durch und werden junge, vollberechtigte Staatsbürger. Etwas Ähnliches ist auch mit unserem Verein passiert.

Wie hat alles angefangen?

Im Jahre 1993 wurde ein Gesetz über die nationalen und ethnischen Minderheiten erlassen. Dieses Gesetz ermöglichte es, dass die in unserem Land lebenden Nationalitäten die sogenannte Minderheitenselbstverwaltung wählen konnten. Die Bedeutung der Selbstorganisation spürten viele von uns; die vom Gesetz gegebene Möglichkeit spornte uns an.

Im November 1993 wurde in Anwesenheit von 31 Personen der Kulturverein-Wetschesch gegründet. In der Gründungssitzung nahmen die Anwesenden die Regeln des Vereins an und wählten den Vorstand erst für ein Jahr, mit der Voraussetzung, dass nach einem Jahrb der Vorstand für drei weitere Jahre gewählt wird.

Was waren die Hauptziele?

Es gab eine Menge Zielsetzungen, die wir in 14 Punkten zusammenfassten.

Ich fange mit dem an, in dem wir schwach waren: die Pflege der deutschen Sprache. Ich weiß, dass es ein Landesproblem ist, aber das darf uns nicht Trost geben. Es tut mir Leid, dass ich diesen Rückblick nicht auf Deutsch hätte erzählen können. Wenn ich den Text auf Deutsch hören würde, würde ich größtenteils verstehen, aber das reicht nicht.

Was war erfolgreich?

Mit den anderen Zielsetzungen kamen wir schon besser voran. Der Verein entschied sich für die Wahl der Minderheitenselbstverwaltung. Kandidaten hatten wir reichlich, und es war eine große Freude, dass viele an der Arbeit der Stimmenzählung teilnahmen. Die Teilnehmer sammelten eine Menge neuer Erfahrungen. Unsere Kandidaten waren bei den Wahlen im Jahr 1994 sehr erfolgreich. Im Januar 1995 wurde die Minderheitenselbstverwaltung gegründet.

Es war auch ein Erfolg, dass sich im Jahre 1996 elf Jugendliche dem Verein angeschlossen haben, und es mag vielleicht unglaublich erscheinen, aber sie haben dies ohne Zureden, aus eigener Entscheidung getan. Wenn ich es so formulieren darf: Sie bilden heute die Stütze des Vereins.

Mit welchen Themen beschäftigten sie sich?

Wir organisierten Ausstellungen zu den berühmten Jubiläen:

Im Jahre 1995 war die Kriegsgefangenschaft, im Jahre 1996 die Aussiedlung, oder wie das heute auf Ungarisch heißt Vertreibung, das Thema unserer Ausstellung. Ein bedeutender Teil der Veranstaltungen wurde gemeinsam mit der Minderheitenselbstverwaltung organisiert. Die über fünf Mitglieder verfügende Körperschaft der Selbstverwaltung beanspruchte oft äußere Hilfe, die sie vom Kulturverein immer bekam.

Sie sagten Minderheitenselbstverwaltung, aber wenn ich mich richtig erinnere, ist das nicht der Name der Körperschaft. Könnten Sie auch darüber etwas sagen?

Das gehört nicht eng zum Thema, aber so viel muss ich sagen, dass die Zusatz „Minderheit“ uns von Anfang an störte. Wir betrachteten uns als Nationalität. Deswegen wurde der Körperschaftsname „Donauschwäbische Selbstverwaltung Wetschesch“ gewählt, der bis heute gültig ist.

Sie erwähnten Ausstellungen, gab es davon mehrere?

Ja, es gab viele. 2002 wurde eine mit dem Titel „Baden –Württemberg ist 50 Jahre alt“ organisiert. Die nächste - im Jahre 2003 - trug den Namen „Zehn jährige Partnerschaft“, die auch in Rheinstetten präsentiert wurde, und zwar mit großem Erfolg. Überdies wurde eine Ausstellung über die siebenbürgischen-sächsischen Kirchenburgen und eine andere mit den Bildern von László Tám veranstaltet.

In den Zielsetzungen habe ich von der Pflege des kirchlichen Gesangbrauchs gelesen. Könnten Sie darüber etwas sagen?

Ja, gerne! Wir meinten und meinen auch heute noch, dass die kirchliche Tradition, der kirchliche Gesangbrauch, ein untrennbarer Teil unserer Kultur ist. Für uns ist es genauso wichtig, wie den Ungarn ihre Grenzen. Ab Mai 1990 singen wir in der heiligen Messe einmal im Monat alte deutsche Kirchenlieder. Dieser Brauch wurde leider für Jahrzehnte in den Hintergrund gedrängt. Ansonsten hatte unsere erste Publikation ein kirchliches Thema: Die ersten 100 Jahre der Historia domus wurden in zwei Sprachen mithilfe von Spenden von Familien herausgegeben.

Sie erwähnten die Identität. Wie kann ein Verein bei der Bewahrung der Identität helfen?

Wir starteten eine Serie mit dem Namen „Dorfabende“, die die Geschichte der Gemeinde und das Schicksal unserer Nationalität darstellte. Weitere Themen der Veranstaltung waren die Historie von Wetschesch, und die Geschichte der Kirchengemeinde. Außerdem interessierten sich viele für die Vorträge über die Aussiedlung und über die Madjarisierung. Der Schlüssel der Identität ist die Erkennung unserer Vergangenheit und der Geschichte der Volksgruppe.

Wir hielten den Kontakt mit den deutschen Siedlungen in der Gegend und besuchten unsere Veranstaltungen gegenseitig. Wir nahmen gerne an den Auftritten der Wetschescher Nationalitätenschulen, Kindergärten und Gruppen teil. Wenn sie uns eingeladen haben, dann haben wir sie begleitet.

Der Kulturverein organisiert jedes Jahr Ausflüge mit dem Namen „Schwäbische Dorfbesichtigung“. Auf diesen Fahrten lernen wir nicht nur das Land kennen, sondern sie helfen auch bei der Selbsterkenntnis. Sie machen uns auf gemeinsame Werte, Herausforderungen, Freuden, Schmerzen und Schicksale aufmerksam. Wir können auch sehen, wie man die Schwierigkeiten überwand, wie die Werte bewahrt werden konnten. Bei diesen Ausflügen – die auch als Studienreisen bezeichnet werden könnten – suchen wir immer einheimische Menschen auf, die die Geschichte der Siedlung gut kennen und uns gerne helfen. Ohne sie wäre es wirklich nur ein Ausflug.

Wo waren sie bisher?

Praktisch überall. Unsere erste Reise ging im Jahre 1998 ans Donauknie: Kismaros, Szendehely, Dunabogdány – aus unserer Interesse. Wir waren in Vértesalja, Tolna, Bakonyalja, Branau, und im Donau-Theiß-Zwischenstromland besichtigten wir nicht nur den Weinkeller von Hajós, sondern das schöne Heimatsmuseum von Csávoly. Wir sahen auch den Kreuzweg von Gara, wo die Inschriften der Stationen sowohl kroatisch als auch deutsch aufgeschriftet sind. Sie dienen als Beispiel für das Zusammenleben von zwei Nationalitäten.

Wir suchten die Deutschen im Komitat Moson auf. Nach Mosonszolnok und Levél besichtigten wir das Freilichtmuseum von Mönchhof. Die Sehenswürdigkeiten von Frauenkirchen nahmen wir auch genau unter die Lupe. Wir standen erschüttert vor dem Kreuz, das von den vertriebenen Deutschen aufgestellt wurde. Von den schönen Siedlungen der im Komitat Békés lebenden Deutschen besuchten wir Mezőberény, Gyula und Elek. Von den augesiedelten Wetscheschern schlossen viele mit den Vertriebenen aus dem Komitat Békés eine enge Freundschaft oder sogar Ehe.

Sie haben gesagt, dass Sie während der Vorbereitung des Ausflugs einheimische Personen aufsuchen. Könnten Sie einige erwähnen?

Im Jahre 2005 reisten wir erneut in Richtung Westen. In Ágfalva zeigte uns András Böhm, in Fertőrákos Róbert Wild die Sehenswürdigkeiten. Wir waren auch in Andau, wo wir die rekonstruierte Brücke bewunderten, über die im Jahre 1956 Tausende von Menschen ihre Heimat verließen.

Unvergesslich war die Fahrt nach Branau. In Görcsönydoboka führte uns Franz Sziebert herum, in Feked war József Báling unser Begleiter.

Im Jahre 2009 fuhren wir wieder nach Tolnau. Závod und Györköny muss ich unbedingt erwähnen. Im Jahre 2010 reisten wir nicht weit weg. Wir suchten die Siedlungen in der Gegend von Pest und Ofen auf, woher die meisten Wetschescher schwäbischen Familien stammen. Diesmal waren Dunaharaszti, Taksony, Szigetújfalu und Nagykovácsi unsere Ziele.

Im Jahre 2012 waren wir im Komitat Sathmar. Nach Mérk und Vállaj besichtigten wir Nagykároly. In Nagykároly fanden wir uns plötzlich mitten einer Feier, weil die in Sathmar gebliebenen Schwaben ihr 300-jähriges Jubiläum gefeiert haben. Die deutschsprachige Messe von Bischof Jenő Schönberger haben wir leider verpasst, aber wir haben die Zelte der deutschen Siedlungen aus der Gegend, die oft dreisprachig waren, besichtigt.

Voriges Jahr waren wir den im Komitat Heves lebenden Deutschen auf der Spur. Wir suchten die von Grassalkovich angesiedelten Kompolt und Aldebrő auf. Wir betrachteten den Bahnhof von Kál-Kápolna, woher die Meschen im Jahre 1945 waggonweise verschleppt wurden. Das Zwangslager in Recsk konnten wir auch nicht außer Acht lassen, wo auch die Wetschescher das Leben der Willkür und des Terrors erfahren mussten. In Eger machte Dr. Lajos Nemes, der ehemalige Archivdirektor des Komitats Heves, die deutschen Bezüge der Stadt bekannt.

Das Heimatmuseum wurde die Attraktion der Jókai-Mór-Straße. Was sagen Sie dazu?

Bereits in den 80-er Jahren gab es Anspruch auf ein Heimatsmuseum in Wetschesch. Das stand auch bei den Zielen des Vereins bei der Gründung. Bei den beiden Selbstverwaltungen sind Beschlüsse und Kommissionen geboren. Die ersten Schritte passierten erst dann, als die Selbstverwaltung der Stadt im Jahre 2002 das auch schon früher unter Schutz stehende Haus in der Jókai Mór Straße 6 gekauft hat. Die Mitglieder des Kulturvereins und dessen Freundeskreis waren Jahre lang aktive Teilnehmer des Krautfestes. Aus dem Gewinn ihrer Arbeit beim Krautfest und aus den Spenden der sich mit Konservierung beschäftigenden Familien häuften sich in sechs Jahren fünf Millionen Forint auf dem Konto der „Stiftung für das Wetschescher Heimatmuseum“ an. Das Kuratorium der Stiftung schloss eine Vereinbarung mit der Selbstverwaltung der Stadt Wetschesch. Danach begann die Restaurierung der schon früher zusammengetragenen Gegenstände. Mit der Unterstützung der Selbstverwaltung der Stadt und der Minderheitenselbstverwaltung fand die feierliche Eröffnung im Jahre 2011 statt.

Die Feste kamen noch nicht in Frage, könnten Sie darüber auch etwas sagen?

Bei dem Krautfest stellt unser Verein seit Jahren aus unterschiedlichen Abschnitten der Vergangenheit von Wetschesch eine Ausstellung zusammen. Wir haben mit der Geschichte der Wetschescher Blasmusik angefangen, haben schöne Familienbilder aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammengestellt, haben alte schöne Häuser und auch die, welche die Modernisierung überlebt haben - präsentiert. Auch alte Schulbilder hat man bewundern können. Es gab schon eine Ausstellung auch über die Geschichte des Wetschescher Weinanbaus. Voriges Jahr führten wir Fotos über alte Wetschescher schmiedeeiserne Zäune vor. Wir haben Kontakt mit deutschen Siedlungen aufgenommen, wo auch jedes Jahr ein Krautfest veranstaltet wird. Die Wetschescher waren schon in Echterdingen und in Rasfeld. Wir wurden schon nach Dithmarschen eingeladen, wo Deutschlands größtes Krautanbaugebiet zu finden ist, aber bisher fehlte immer die Unternehmungslust. Wir haben Beziehungen zum SWR3-Fernsehen, dessen Kamerateam schon bei uns war, und wir trafen uns in Echterdingen, auf dem Filderkrautfest. Diejenigen, die auch deutsche Fernsehprogramme angucken, konnten zahlreiche, in Wetschesch gedrehte Aufnahmen sehen. Seit Jahren bekommt der Kulturverein Einladungen auf das Forchheimer Dorffest. Der Verein und dessen Freundeskreis bereiten sich immer begeistert auf die Fahrt vor. Das Zelt des Kulturvereins gehört zu den meist besuchten Zelten des ganzen Festes.

Wie lief die Feier zum 20. Jubiläum des Kulturvereins?

Bürgermeister Csaba Szlahó begrüßte den Verein und lobte seine Tätigkeit. Imre Ritter, der Vorsitzende der Deutschen Selbstverwaltung im Komitat Pest, sprach in seiner feierlichen Rede über die Rolle des Vereins. Er drückte seine Anerkennung aus, und gratulierte zu den bisherigen Ergebnissen. Er brachte einen Rosenstrauß mit sich, und bat mich um Verteilung unter den weiblichen Mitgliedern des Vereins. Bei dieser Zusammenkunft trat die Klasse 2.b der Grassalkovich-Schule auf und hatte großen Erfolg. Mit großer Freude hörten wir uns die schönen Lieder und das Begrüßungslied der Wetschescher Nachtigallen an. Die Deutsche Minderheitenselbstverwaltung überraschte uns mit einer großartigen Torte. Vielen Dank der Konditorei Karamell, die Torte hat uns allen sehr geschmeckt.

Haben sie noch weitere Pläne?

20 Jahre haben wir schon hinter uns, und wenn Gott will, haben wir noch viel mehr vor uns. Zurzeit hat der Verein 38 Mitglieder, darunter auch zwei Mitglieder aus Deutschland. Anton Wirth, der sich heute auch als Wetschescher bekennt, und Frau Elisabeth Stecher, die uns immer gerne aus der Partnerstadt besucht. Ohne ihre altruistische Hilfe wäre die Teilnahme des Kulturvereins an dem Forchheimer Dorffest unvorstellbar. Wir hoffen, dass immer mehr junge Mitglieder anschließen, da die Zukunft ohne sie aussichtslos ist. Wir brauchen sie zur Umsetzung unserer Pläne. Es wäre schön, die Vorstellungen und Ansprüche einer neuen Generation kennenzulernen und mit ihnen gemeinsam auf dauerhaften Bestand hinzuarbeiten.

Ferenc Horváth

 

 

 

Am 13. Januar 2007 wurde Herrn Michael Frühwirth, dem Vorsitzenden vom Kulturverein-Vecsés die Ehre erwiesen, im Rahmen der Landesgala, die anlässlich des Tages der Ungarndeutschen Selbstverwaltungen in der Kongresshalle veranstaltet wurde, die Auszeichnung Ehrennadel in Gold für das Ungarndeutschtum übernommen zu haben. Herzlichen Glückwunsch!